Nach dem Lockdown droht Gefahr aus dem Wasserhahn

Stei­gen­de Impf­ra­ten und sin­ken­de Inzi­denz­wer­te las­sen die Hoff­nung auf bal­di­ge Locke­run­gen wach­sen. Was Sport­stät­ten und Beher­ber­gungs­be­trie­be mit Blick auf ihre Trink­was­ser­an­la­gen vor einer mög­li­chen Öff­nung beach­ten müs­sen, erklärt Chris­ti­an Ter­net­te vom Gesund­heits­amt des Mär­ki­schen Krei­ses
Sport­hal­len, Hotels, Schwimm­bä­der, Fit­ness­stu­di­os. Die­se und ande­re Ein­rich­tun­gen wur­den in den letz­ten Mona­ten nur ein­ge­schränkt oder gar nicht genutzt. Die Trink­was­ser­an­la­gen stan­den weit­ge­hend still. Das Gesund­heits­amt des Mär­ki­schen Krei­ses sieht dar­in eine Gefahr: Lan­ge nicht genutz­te Trink­was­ser­an­la­gen ber­gen das Risi­ko einer Ver­kei­mung ins­be­son­de­re durch Legio­nel­len. Die­ser Legio­nel­len­be­fall betrifft meist das Warm­was­ser­sys­tem, kann aber auch im Kalt­was­ser­sys­tem statt­fin­den. „Legio­nel­len kön­nen schwers­te Lun­gen­ent­zün­dun­gen ver­ur­sa­chen“, warnt Chris­ti­an Ter­net­te, Sach­ge­biets­lei­ter Infek­ti­ons­schutz und Trink­was­ser. Risi­ko­fak­tor ist nicht nur eine Immun­sup­pres­si­on oder schwe­re Grund­er­kran­kun­gen. Bereits mitt­le­res Lebens­al­ter, männ­li­ches Geschlecht und Rau­chen sind ein rele­van­tes Risi­ko­pro­fil für einen schwe­ren Ver­lauf. Die meis­ten Legio­nel­len­in­fek­tio­nen blei­ben aller­dings unent­deckt, weil sie wie eine Som­mer­grip­pe (sog. Pon­ti­ac Fie­ber) ver­lau­fen, und nicht als Legio­nel­len­in­fek­ti­ons­ver­dacht erfasst und abge­klärt wer­den.
Um Legio­nel­len zu ver­mei­den, gibt es ein pro­ba­tes Mit­tel: das Ein­hal­ten eines fes­ten Spül­plans. „Ziel des Spül­plans ist eine Was­ser­ent­nah­me an jeder Ent­nah­me­stel­le min­des­tens alle 3 Tage“, erklärt Ter­net­te. 
Betrei­ber von Beher­ber­gungs­ein­rich­tun­gen und Sport­stät­ten soll­ten – neben vie­len ande­ren Aspek­ten – auch den ein­wand­frei­en Betrieb der Trink­was­ser­an­la­ge in ihren Gebäu­den sicher­stel­len und im Vor­feld der Wie­der­eröff­nung die erfor­der­li­chen tech­ni­schen Maß­nah­men zur Mini­mie­rung des Infek­ti­ons­ri­si­kos beach­ten.
Doch was ist zu tun, wenn bei­spiels­wei­se eine Sport­hal­le nach mona­te­lan­gem Lock­down wie­der in Betrieb geht und der Spül­plan nicht ein­ge­hal­ten wur­de? „Die ers­te Spü­lung nach län­ge­rer Sta­gna­ti­on ins­be­son­de­re in Berei­chen mit Ver­neb­lung wie Duschen soll­te mit einer FFP2 Mas­ke durch­ge­führt wer­den. Es kann die glei­che Mas­ke wie zum Schutz vor dem Coro­na­vi­rus Ver­wen­dung fin­den“, rät Ter­net­te. 
Es soll­te min­des­tens bis zur Tem­pe­ra­tur­kon­stanz gespült wer­den. Das heißt, das Warm­was­ser wird nach wei­te­rem Ablauf nicht mehr wär­mer, das Kalt­was­ser nicht mehr käl­ter. Weni­ge Minu­ten pro Ent­nah­me­stel­le rei­chen in der Regel aus, so der Medi­zi­ner. Eine wei­ter­ge­hen­de Spül­dau­er ist nicht deut­lich effek­ti­ver. Statt­des­sen ist eine ergän­zen­de Spü­lung an ein oder zwei Fol­ge­ta­gen sinn­vol­ler. Bei den Spül­maß­nah­men darf auch die Rück­spü­lung oder War­tung des Haus­an­schluss­fil­ters nicht ver­ges­sen wer­den.
Durch Kor­ro­si­ons­pro­zes­se ent­stan­de­nes brau­nes (Stahl­roh­re) oder grünes/bläuliches (Kup­fer­roh­re) Was­ser muss bis zum kla­ren Ablauf frei­ge­spült wer­den. Hilf­reich ist die Betrach­tung einer Ablauf­pro­be in einem Was­ser­glas auf sicht­ba­re Par­ti­kel. Gleich­zei­tig soll­ten alle Strahl­reg­ler (Per­la­to­ren) und Dusch­köp­fe inspi­ziert und ggf. ent­kalkt wer­den. 
Legio­nel­len sind übri­gens nur über die Inha­la­ti­on von Aero­so­len gefähr­lich, getrun­ke­nes legio­nel­len­hal­ti­ges Was­ser ver­ur­sacht kei­ne Legio­nel­len­in­fek­ti­on. Aber die Spül­maß­nah­men zum Legio­nel­len­schutz und die Rei­ni­gung von Strahl­reg­lern und Dusch­köp­fen schüt­zen auch vor ande­ren krank­ma­chen­den Kei­men im Trink­was­ser. 
Ent­schei­dend für den siche­ren Betrieb einer zen­tra­len Warm­was­ser­ver­sor­gung sind die Betriebs­tem­pe­ra­tu­ren. „Eine nach Trink­was­ser­ver­ord­nung mit einer Unter­su­chungs­pflicht auf Legio­nel­len beleg­te Anla­ge muss eine aus­gangs­sei­ti­ge Tem­pe­ra­tur von min­des­tens 60°C gewähr­leis­ten. Rück­lauf­sei­tig dür­fen 55°C nicht unter­schrit­ten wer­den“, weiß der Arzt. Soll­ten bei die­sen Groß­an­la­gen Zwei­fel an die­sen Tem­pe­ra­tur­be­rei­chen bestehen, ist die Anla­gen­ein­stel­lung und die Zir­ku­la­ti­ons­pum­pe zu über­prü­fen.
Bei Groß­an­la­gen, die lan­ge ohne Spül­plan geschlos­sen waren, bie­tet es sich an, sie nach Abschluss der Spül­maß­nah­men aber vor Auf­nah­me des Betriebs zu beproben. 

Bevor Sport­stät­ten und Beher­ber­gungs­be­trie­be nach dem Lock­down wie­der öff­nen, soll­ten die Trink­was­ser­an­la­gen gut durch­ge­spült wer­den. Foto: Ulla Erkens/Märkischer Kreis